Das Standardwerk für Fachleute ist soeben in seiner 5. Auflage erschienen und enthält ein Kapitel zu körperorientierter Arbeit mit traumatisierten Menschen. Unter dem Titel «Arbeit mit körperbezogenen Traumaspuren» beschreiben mein Co-Autor Jochen Binder und ich, wie sich die körperbezogenen Abwehrmechanismen gegen traumatische Erinnerungen schnell erfassen lassen. Passend zur jeweiligen Abwehrstrategie empfehlen wir körperorientierte Regulationstechniken.
Nach langjähriger Erfahrung und Auswertung von mittlerweile weit über hundert Therapieverläufen, können wir die Abwehr der traumatischen Erinnerungen verschiedenen Bewegungstypen zuordnen. So versuchen viele Betroffene, Stress und Erinnerung an schreckliche Erfahrungen durch übermässige Aktivität abzubauen. Dafür nehmen sie Schädigungen des Muskel-Skelett-Systems in Kauf. Andere verharren in defensiven, immobilen Verhaltensweisen mit langen Zeiten im Bett oder auf dem Sofa. Dieses Muster zeigt sich häufig nach lebensbedrohlichen Erfahrungen.
Traumatisierte Menschen bezeichnen körperliches Wiedererleben der überwältigenden Erfahrung als besonders erschreckend. Die weit verbreitete Ablehnung des eigenen Körpers steht damit vermutlich im Zusammenhang und fördert dissoziative Zustände, in denen sich Betroffene gewissermassen körperlos fühlen.
Zu viel und zu wenig Bewegung, dissoziatives Erleben, Selbsthass und Vermeidung des Körpererlebens durch viel Ablenkung, Drogen oder anderes Suchtverhalten verändert die Körperwahrnehmung. Sehr viele traumatisierte Menschen spüren sich oft kaum. Dies kann sich abwechseln mit starken Empfindungen, die oft unangenehm und schmerzhaft sind.
Die vielfältigen Erscheinungsbilder der körperbezogenen Symptome einer Traumafolgestörung können anhand des vorherrschenden Bewegungsverhaltens von traumatisierten Menschen in Kategorien eingeordnet werden. Dies erleichtert die Wahl des Vorgehens und der genutzten Körperarbeit für Stressregulation, Rückkehr zu Kraft und Vitalität, Präsenz in der Gegenwart, Differenzierung des Körpererlebens und Aufbau des Körperbewusstseins. Somit dient die gezielte Beobachtung des Bewegungsverhaltens als Orientierungshilfe und Leitfaden für die Prozessbegleitung in der Traumatherapie.
Das Handbuch der Psychotraumatologie richtet sich an alle Fachleute, die mit traumatisierten Menschen zu tun haben als Therapeut*innen, Berater*innen, Seelsorger*innen, Erzieher*innen, Personalverantwortliche und Gesundheitsbeauftragte, Vorgesetzte oder Vertreter*innen der Justiz und der öffentlichen Verwaltung.